Now Reading
Upcycling Taschen nachhaltig & fair

Upcycling Taschen nachhaltig & fair

Marie Völker
Christian Tschürtz gründete 2013 Comebags.

Upcycling-Taschen aus alten Werbebannern – Mit dieser Idee startete der Mannheimer Grafiker Christian Tschürtz im Jahr 2013 sein Unternehmen Comebags.

Doch nicht nur aus ökologischer Sicht ist die Produktion der Comebags-Taschen nachhaltig. Auch soziale Aspekte spielen eine wichtige Rolle, denn die Taschen werden von behinderten Menschen hergestellt. Faire Arbeitsbedingungen, eine angemessene Bezahlung und ein angenehmes Arbeitsklima sind hierbei von großer Bedeutung.

Werbematerialien für die Taschenproduktion

Wer eine oder mehrere Taschen von Comebags haben möchte, braucht zuerst einmal eine Sache: das passende Material. Denn Comebags ist kein gewöhnlicher Onlineshop für Taschen, sondern ein Unternehmen, das auf Bestellung aus unterschiedlichen Recycling-Materialien Taschen für seine Kunden herstellt.

Egal, ob alte Werbebanner aus PCV, Mesh-Folien, Netzvinylbanner, LKW- und Bauzaunplanen oder Fahnenstoff – viele verschiedene nicht mehr benötigte Werbematerialien können für die Taschenproduktion wiederverwertet werden.

Viel zu schade zum Wegschmeißen

Upcycling lautet die Devise. Der Einfall zu dieser außergewöhnlichen Produktion kam dem Mannheimer Grafiker Christian Tschürtz nachdem er ein Werbebanner designt hatte, das nach kurzzeitiger Nutzung schon entsorgt werden sollte.

„Viel zu schade zum Wegschmeißen“, sagte er sich und auf der Suche nach einem Weg, das Material wiederzuverwerten, kam er auf die Idee mit der Taschenproduktion. Doch damit nicht genug, denn dieses Projekt sollte nicht nur ökologisch nachhaltig sein, sondern auch die soziale Komponente sollte schon bald eine wichtige Rolle bei der Produktion spielen.

Die Näharbeiten bei Combags werden in einer Näherei in Bruchsal von Menschen mit Handicap hergestellt. © Comebags

Nachhaltig & Sozial

Die Frage, wie und wo die Taschen genäht werden sollen, beantwortete sich, als er durch einen Bekannten von der Lebenshilfe in Bruchsal erfuhr, die Menschen mit Behinderung Arbeitsplätze in unterschiedlichen handwerklichen Bereichen anbietet.

Eigentlich stand die Näherei der Lebenshilfe zu dieser Zeit kurz vor der Schließung, da es aufgrund der Situation in der Textilbranche an Aufträgen mangelte, weil größtenteils doch bevorzugt „Billigware“ aus dem Ausland gekauft wird. „Und dann bin ich mit der komischen Idee gekommen, aus Bannern Taschen zu machen“, erinnert sich Christian Tschürtz.

Seither werden die Taschen in der Näherei in Bruchsal von Menschen mit Handicap hergestellt. Begleitet wird dieser Arbeitsprozess dort von Teamleitern, welche auch die Qualitätskontrollen an den Produkten durchführen. Faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen spielen bei der Produktion eine zentrale Rolle.

Das Unternehmen zeigt sich transparent und listet auf seiner Website explizit auf, welcher Teil der Einnahmen aus der Taschenproduktion an die behinderten Mitarbeiter geht und wofür die restlichen Teile des Geldes gebraucht werden.

Breitgefächerte Produktpalette

Was im Jahr 2013 mit nur einem Taschenmodell begann, hat sich mittlerweile zu einer breitgefächerten Produktpalette bestehend aus Umhängetaschen, Dokumentenmappen, Tablet-Hüllen, Turnbeuteln und Einkaufsbeuteln entwickelt.

In der anfänglichen „Experimentierphase“, wie Christian sie nennt, wurden neben den Taschen auch weitere andere Produkte, wie zum Beispiel Sitzkissen oder Smartphone-Hüllen getestet, doch, da diese in der Produktion und auch kostenmäßig aufwendiger sind und sich die Taschen am besten bewährt haben, blieb das Hauptaugenmerk auch auf der Herstellung von Taschen.

Nur ein Produkt, das keine Tasche ist, konnte sich durchsetzen: die Kochschürze. Diese kann man sich auch heute noch aus Bannermaterial von Comebags herstellen lassen.

Bei Comebags gibt es verschiedene Modelle zur Auswahl. © Comebags

Jede Tasche ein Unikat

Die Preise für die Herstellung der Produkte liegen, je nach Modell, zwischen 5 und 15 Euro pro Stück. Produziert wird schon ab einem Stück, das heißt, es gibt keinen Mindestbestellwert. So kann man auch kleinere Mengen an Recycling-Material problemlos von Comebags verarbeiten lassen.

Die Taschen von Comebags sind vom Schnitt her eher schlicht gehalten. Die Gründe dafür liegen in der Herstellung: Die Produktion soll für die Mitarbeiter mit Behinderung relativ einfach gehalten werden, sodass sie bei der Herstellung ihre gewohnten Produktionsschritte routinemäßig und ohne Druck ausführen können. So fühlen sich die Mitarbeiter in ihrer Arbeit sicher, sagt Christian.

See Also
In Sasas Vintage Laden gibt es eine breite Auswahl an Kleidung und Accessoires. © Nancy Jäger

Die einzelnen Taschenteile werden aus den Bannern mit einer Maschine ausgestanzt und haben daher einheitliche Größen. So ist es beispielsweise nur schwer möglich, auf gesonderte Kundenwünsche in Bezug auf die Größen der Taschen einzugehen.

Da es mittlerweile jedoch unterschiedliche Taschenmodelle gibt, finden sich in der Auswahl Taschen für die verschiedensten Zwecke. Das Ausstanzen der Taschenteile bringt jedoch auch einen großen Vorteil mit sich: Jede Tasche wird dadurch zu einem echten Unikat.

Individuelle Formen sind nur schwer zu fertigen, da die Taschenteile standardmäßig ausgestanzt werden. Die Motive bleiben jedoch individuell. © Comebags

Nach dem Ausstanzen werden die einzelnen Teile gereinigt und daraufhin von den Mitarbeitern zu den verschiedenen Taschen zusammengenäht. Der Kunde hat hierbei die Möglichkeit, das eigene Logo in Form eines Aufnähers oder einer Fahne an den Taschen anbringen zu lassen. Sobald die Taschen fertig sind, werden sie dann zum Kunden geliefert.

Qualität braucht Zeit

Je nach Umfang muss man mit einer Lieferzeit mit 4-6 Wochen rechnen. Christian betont, dass Qualität nun einmal seine Zeit braucht.

Außerdem ist es ihm besonders wichtig, die angenehmen Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter beizubehalten und sie bei der Arbeit zum Beispiel nicht unter Zeitdruck zu setzen. So kann die soziale Komponente, welche für ihn bei der Produktion neben den ökologischen Gesichtspunkten mit an erster Stelle steht, realisiert werden.

Mittlerweile werden in Bruchsal monatlich 1500-1800 Taschen produziert und die Aufträge kommen nicht mehr nur aus der Region, sondern aus ganz Deutschland und sogar einigen anderen europäischen Ländern, wie z.B. Österreich und der Schweiz.

Die meisten Firmen, die ihre Werbematerialien zur Taschenproduktion an Comebags geben, nutzen die Taschen letztendlich als Geschenke für Kunden oder Mitarbeiter oder verlosen sie beispielsweise bei Gewinnaktionen.

Die Taschen zu verkaufen wäre, wenn man nicht nur kostendeckend, sondern gewinnbringend denkt, ziemlich teuer, weshalb sich die meisten Firmen dazu entscheiden, die Taschen zu verschenken.

Da es die Taschen so also kaum irgendwo einfach zu kaufen gibt, ist es dementsprechend nicht ganz so einfach, als privater Kunde an eine Tasche von Comebags heranzukommen. Wenn man jedoch das Glück hat, eine solche Tasche zu besitzen, kann man sich sicher sein, ein individuelles, nachhaltig und fair produziertes Produkt in den Händen zu halten.

© 2022 ILMA Magazin. Powered by: Mannheimer Morgen