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Wau! Ein Einblick in die Psyche der Hunde

Wau! Ein Einblick in die Psyche der Hunde

Sarah Wallner
Hundepsychologin Angela Kniesel will zwischen Menschen und Tieren vermitteln.

Der Hund ist wie ein bester Freund und ein Familienmitglied, der einen versteht wie kaum ein anderer. Aber deuten wir umgekehrt auch die Signale richtig, die uns die Hunde senden?

Angela Kniesel, Hundepsychologin, weiß was in den Köpfen unserer vierbeinigen Freunde abgeht. „Hunde kommunizieren mit uns sehr deutlich, oftmals werden die Signale aber missverstanden“, sagt sie. Beim Besuch ihrer Hundeschule in Neckarau begrüßt mich Angela mit ihrer treuen Straßenhündin Josefa aus Griechenland.

Erst einmal werde ich, als Fremde in der Runde, von Da Vinci, einem Neufundländer, beschnuppert. Klar – die Hunde kennen mich noch nicht und müssen erstmal einen ersten Kontakt und Vertrauen zu mir aufbauen.

Nachdem sie sich an mich gewöhnt haben, erklärt Angela: „Vertrauen zwischen Menschen und Hunden ist unglaublich wichtig. Wenn uns die Hunde nicht vertrauen können, weil wir sie falsch behandeln, kann keine richtige Beziehung entstehen. Wichtig ist, dass dieses Vertrauen auf Gegenseitigkeit beruht.“

Neufundländer Da Vinci (vorne) hat das Sagen. © Sarah Wallner

Deutlich machen wer der Chef ist

Schnell erkenne ich, wer hier in der Runde das Sagen hat. Da Vinci stellt sich stolz in die Mitte und macht deutlich: Ich bin hier der Boss. Während Sina, ein Shar-Pei-Doggen Mix, die Ruhe weg hat, zieht er bewusst den Fokus der anderen auf sich: Mit einem – oh pardon seinem – Gummikauspielzeug, das er jedem demonstrativ unter die Nase oder die Schnauze hält.

Angela verrät mir, dass dieses Angeben seine Standardmasche ist. Sein Ziel ist es, dass einer von uns ihm sein Spielzeug wegnimmt. Josefa, die Kleinste in der Runde, zeigt Interesse und pirscht sich unmerklich an. Da Vinci erkennt die Vorgehensweise seiner Freundin und lässt nicht nach.

Auch die kleine Terrier-Mix Hündin Sue kann nicht anders und versuchen ebenfalls, Da Vincis Eigentum zu entreißen. Wenig später findet er tatsächlich keinen Gefallen mehr daran – stattdessen entdeckt er einen Ast für sich. Zack – Sue ist nun Besitzerin.

„Normalerweise würde Da Vinci jetzt bewusst versuchen, sein Eigentum wieder für sich zu gewinnen. Dabei geht er aber nicht offensiv vor. Er setzt sich oft sehr lange direkt vor seinen Gegenüber und übt Präsenz aus, bis der andere freiwillig nachlässt.“

Josefa ist wenig später übrigens auch nicht mehr am Da Vincis Spielzeug interessiert und findet ebenfalls einen tollen Ast, den sie direkt markiert. Dafür wälzt sie sich ein paar Mal auf ihm.

Sue hat sich das Spielzeug ergattert. © Sarah Wallner

Auf ständiger Kontaktsuche

Können Hunde tatsächlich spüren, ob wir Angst vor ihnen haben? „In der Tat haben Hunde die Fähigkeit, das Empfinden seines Gegenübers wahrzunehmen. Der Hund benötigt nur ein wenig Kontakt zu uns. Das Ganze funktioniert auch bei Hunden untereinander. Anhand von Markierungen kann ein Hund dann über seine Sinne wahrnehmen, wie sich der andere Hund gerade fühlt“, erzählt sie weiter.

„Wenn ich unterwegs bin, lasse ich Josefa meistens Kontakt zu anderen Hunden aufbauen. Hunde mögen es nicht, wenn man sie im Ungewissen lässt. Solange dieser Kontakt nicht entsteht, können sie den anderen nicht einordnen.“

Da Vinci schlägt direkt Alarm, als sich ein Hund auf der Straße dem Hundeplatz nähert. Da kann Josefa auch nicht still sitzen bleiben und will direkt die Lage checken. Wer ist der Unbekannte auf der anderen Seite? Doch das Interesse,  den anderen kennenzulernen, beruht in dem Moment nicht auf Gegenseitigkeit. Der Hund zieht mit seinem Herrchen von dannen, ohne jede Kontaktaufnahme.

Beim nächsten Fremden läuft es ähnlich ab. Da Vinci bellt zur Begrüßung und alarmiert die Truppe, dass da jemand kommt, Josefa sprintet vor – nur ein Hund kommt ebenfalls ans Gitter.

Aber dieser wirkt ängstlich und unsicher, wird dann von seinem Besitzer dazu gedrängt weiterzugehen. Schon fängt Da Vinci an zu bellen. „Damit will er zeigen, dass er nicht zufrieden ist, da er den Fremden nicht genauer kennenlernen durfte“, schildert mir Angela die Situation.

Da Vinci mit Shar-Pei-Doggen Mix Sina (rechts) beschnuppern sich. © Sarah Wallner

Mit allen Sinnen im Hier und Jetzt

Enttäuscht schaut Da Vinci dem fremden Hund noch eine Weile hinterher, schüttelt sich dann und widmet sich wieder seinem Ast. Auch Sue schüttelt sich, als sie nach der Begegnung genug hat – so werfen sie unnötigen Ballast ab.

„Anhand so einer Geste können wir Menschen uns eine ganze Menge von den Hunden abschneiden. Während wir Probleme ignorieren oder in uns reinfressen, schüttelt ein Hund diese einfach ab und kann sich wieder voll und ganz auf das Hier und Jetzt konzentrieren.“

Das ist  auch ein bedeutender Unterschied zwischen uns Menschen und den Hunden. Während wir noch darüber nachdenken, dass uns der Nachbar gestern schief angeschaut hat, leben Hunde in der Gegenwart und erleben alles viel intensiver.

„Im Gegensatz zu uns nutzen Hunde auch noch all ihre Sinne. Wenn ich mit Josefa Gassi gehe, bemühe ich mich, dass diese dabei beansprucht werden können. Das gebe ich auch immer wieder an meine Kunden weiter.“

Josefa (rechts) ist ein Straßenhund aus Griechenland. © Sarah Wallner

Mehr Beobachten als wildes Austoben

Auf dem Hundeplatz herrscht eine absolut entspannte Atmosphäre. Sie sind sehr ruhig,  „spüren die Natur und ihr Umfeld und dementsprechend handeln sie“, so Angela. „Gibt es für sie keinen Grund, laut zu werden oder herum zu tollen, lassen sie es auch einfach sein.“

Die Trainingsstunden von Angela laufen nicht so ab, wie es sich der ein oder andere vorstellen mag. „Wir rennen mit den Hunden nicht ununterbrochen über den Platz, springen über Hindernisse und powern sie aus.“

Bei den Seminaren schaut sie immer erstmal, ob die Hunden zusammen passen. Nur dann, wenn eine Harmonie entsteht, lässt sie sie aufeinander los.

„Hunde können in den meisten Fällen Konflikte gut selbst lösen. Doch wenn man spürt, dass der Konflikt unter Hunden nicht geklärt werden kann, sollte man einschreiten“, meint Angela. Oft schreiten wir Menschen allerdings viel zu früh in die Situation ein, trennen die Hunde, ohne zu verstehen, dass da noch ein Konflikt in der Luft liegt.

Josefa auf der Wiese der Hundeschule in Neckarau. © Sarah Wallner

Vom Hundeflüsterer zum menschlichen Versagen

Angela Kniesel – der Name wird dem ein oder anderen aufmerksamen ILMA-Leserinnen und Leser sicher ein Begriff sein. Angela ist zwar hauptberuflich Hundepsychologin, befasst sich aber nebenberuflich noch mit dem Fehlverhalten und Scheitern von Menschen.

Gemeinsam mit ihrer Freundin Simone Ruckstuhl organisiert sie seit einigen Jahren nun schon die Fuckup Night Mannheim. Hier stellen ganz unterschiedliche Menschen ihr Scheitern vor und erzählen, wie sie daraus gelernt haben.

Wie könnte es wohl anders sein, haben sich Angela und Simone durch die Liebe zu Hunden kennengelernt. Beide hatten damals weiße Schäferhunde und auch in ihren Berufen finden sich Gemeinsamkeiten – Simone ist Fotografin, spezialisiert auf die Tier- bzw. Hundefotografie.

„Wir hatten von den Fuckup Nights in anderen Städten wie Berlin gehört und stellten fest, dass es sowas noch nicht bei uns in Mannheim gibt.“ Da setzten sich die beiden Freundinnen zusammen und gründeten prompt die Fuckup Night Mannheim.

Wer noch nach einer Hundeschule sucht, ist bei Angela Kniesel herzlich willkommen. Ihre kommenden Seminare sind noch nicht ganz ausgebucht und bieten Platz für Neuzugänge. Einige Seminare kann man sowohl alleine als auch gemeinsam mit dem Hund besuchen.

  • Frau Kniesel

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