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Der Herr der grünen Dächer

Der Herr der grünen Dächer

Anika Pfisterer
Bepflanzte Filztaschen sind ein grüner Hingucker. © Otto Blumen

Mit ihm sollen die Dächer und Fassaden Mannheims ein Stückchen grüner werden: Julian Otto ist seit drei Jahren Juniorchef des Mannheimer Familienunternehmens Otto Blumen.

Verleumdung der Natur

„Wie man Pflanzen sinnvoll in die Stadt einbringen kann, war ein großes Thema in meinem Studium“, erklärt Julian Otto. Dass das Thema den 27-Jährigen auch privat umtreibt, merkt man schnell. „Meine Freunde sagen, ich lebe in einem Dschungel. Bei mir zuhause ist alles grün, innen wie außen.“

Julian studierte Gartenbau mit Fächern wie Staudenkunde, Gehölzkunde und Baumschulwirtschaft ein bisschen, als hätte Harry Potter einen grünen Daumen bekommen. Julian erzählt von  „Verdunstungskühlung“, „Temperaturpufferung“, von „Lärmschutzeffekten“ und „gesteigertem Wohlbefinden“.

Eine Stunde Gespräch mit ihm und man empfindet die Stadt als nackt – die kahlen Dächer als Massengrab der grünen Möglichkeiten, als Verleumdung der Natur.

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Mehr als ein Lebensraum für Insekten

„Zur Entsiegelung der Stadt gehört der Boden genauso wie die Dächer oder die Fassaden“, erklärt Julian. Vorteile habe die Begrünung reichlich: „Pflanzen wirken gegen die Hitze in den Städten. Sie wärmen sich nicht so auf wie Beton.“

Außerdem würden sie als Wasserspeicher die Kanalisation entlasten, aber genauso Lebensraum für Insekten schaffen. Für Dächer empfiehlt Julian Pflanzenarten mit hoher Hitzeverträglichkeit und Schädlingsresistenz.

Mehrjährige Stauden seien geeignet, die über den Winter einziehen und dann wiederkommen. Besonders insektenfreundlich unter diesen Sorten seien zum Beispiel Lavendel, Purpurhut oder Eisenkraut.

„Wir hatten letzten Sommer große Mengen an Eisenkraut hier in der Gärtnerei stehen. Wir konnten uns nicht mehr retten vor Bienen und Schmetterlingen. Unglaublich spannend zu sehen, wie gut das funktioniert“, staunt Julian.

Pflanzenarten mit hoher Hitzeverträglichkeit und Schädlingsresistenz eignen sich für Dächerbegrünung. © Otto Blumen
Pflanzenarten mit hoher Hitzeverträglichkeit und Schädlingsresistenz eignen sich für Dächerbegrünung. © Otto Blumen

Grün aufwärts des Bodens

Die Begrünung wirkt nicht nur auf die Stadt selbst, sondern dämmt auch die bewachsenen Häuser. „Insbesondere die Fassadenbegrünung puffert die Temperatur“, so Julian.

Im Sommer reflektieren die Pflanzen das Sonnenlicht und kühlen durch die Verdunstung von gespeichertem Wasser. „In der Übergangszeit im Spätjahr können die Pflanzen starke Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht abfangen.“

So ganz neu ist die Idee vom Grün aufwärts des Bodens nicht: „Efeu ist wohl die älteste Form der Fassadenbegrünung“, sagt Julian. Allerdings habe die Pflanze für Häuser den Nachteil, dass sie „in alle Ritzen, in jeden Stein“ wurzelt – sie sei dafür aber „top bienenfreundlich“.

Auch achtlos grünende Garagendächer zählen dazu. „Hier spricht man von einer extensiven Dachbegrünung“, so Julian. Sie brauche wenig bis keine Pflege. Die intensive Begrünung dagegen ist systematisch geplant und auf Ästhetik ausgelegt. Hierzu gehören auch richtige Dachgärten.

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Stadt Mannheim bezuschusst über die Klimaschutzagentur

Im Zeitalter der Nachhaltigkeit wird der Begrünung von Dach-, Fassaden- und Entsiegelungsflächen ein neuer Wert zugesprochen: Die Stadt Mannheim bezuschusst solche Vorhaben seit 2016 über die Klimaschutzagentur. Bisher seien nur fünf Prozent der Dachflächen in der Innenstadt begrünt, heißt es in der Broschüre zum Förderprogramm.

56000 Quadratmeter Grün gebe es in Mannheim zu bergen. Die städtischen Zuschüsse machen sich auch bei Otto Blumen bemerkbar: „Letztes Jahr gab es einen richtigen Push in der Nachfrage“, sagt Julian. Die meisten Aufträge kommen bisher von Eigentümer- oder Hausgemeinschaften. Auch Unternehmen wollten ihr Image aufgrünen.

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Fotograf Michael Brand bei dem von ihm organsierten Photowalk im Jungbusch. © Stefanie Afisa

Otto Blumen hat bisher rund 30 Dächer und Fassaden begrünt.

Fassadenbegrünung im Jungbusch. © Otto Blumen

Kosten, Bau und Pflege

Wer Dächer und Fassaden begrünen will, muss „etwas tiefer in der Materie sein“, warnt Julian. Die Dächer müssten vor eindringenden Wurzeln geschützt werden – zum Beispiel durch eine separate Durchwurzelungsschicht.

Wenn eine Begrünung nicht von Anfang an im Bauplan berücksichtigt wurde, kann das höhere Investitionen mit sich ziehen. Auch danach will das Grün mehrmals im Jahr gepflegt werden, damit Regenfallrohre und Co. heil bleiben.

Die Broschüre der Klimaagentur nennt für eine Extensivbegrünung von Dächern 25 Euro bis 50 Euro pro Quadratmeter. Für einen Quadratmeter Intensivbegrünungen schätzt Julian 100 Euro aufwärts. Hinzu kommt die Pflege – mindestens einmal jährlich.

"Zur Entsiegelung der Stadt gehört der Boden genauso wie die Dächer oder die Fassaden“, erklärt Julian. © Otto Blumen
„Zur Entsiegelung der Stadt gehört der Boden genauso wie die Dächer oder die Fassaden“, erklärt Julian. © Otto Blumen.

Günstigere Alternative gesucht

„Ich tüftele gerade an einer günstigen Alternative für die Fassadenbegrünung“, erzählt Julian und zeigt eine Filzfläche mit aufgenähten, bepflanzten Taschen. Das System könne man auf dem Balkon oder im Innenhof auf Paletten aufhängen.

Die Idee der Filztaschen sei nicht neu. Julian hat sie mit bunten Stauden bepflanzt und experimentiert nun mit unterschiedlichen Drainageschichten. „Einfach nur Erde in die Taschen machen, das geht nicht. Dann faulen die Wurzeln weg und die Pflanzen bekommen keinen Sauerstoff.“

Nach dem ersten Winter zieht er ein Resümee: „Die Teppichwalderdbeere sieht etwas traurig aus.“ Purpurglöckchen und Bergenien haben sich dagegen wacker geschlagen.

Doch auch ohne professioneller Dach- oder Fassadenbegrünung oder Filztaschen könne jeder einzelne einen Beitrag leisten: Der Stadt zu Liebe zähle jeder Blumentopf im Freien, meint Julian.

„Je mehr davon auf dem Balkon oder der Dachterrasse stehen, desto besser.“

  • Otto Blumen

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