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Mit gesellschaftlicher Verantwortung werben

Mit gesellschaftlicher Verantwortung werben

Torsten Gertkemper
Teamwork makes the Dreamwork. Das Motto in den Räumlichkeiten der Agentur.

Sherry Kizhukandayil hat sich schon vieles anhören müssen. Sätze wie „Können Sie überhaupt Ihre Mitarbeiter bezahlen?“ waren noch das harmloseste. Der 39-Jährige ist gemeinsam mit Qamar Zaman Geschäftsführer der Werbeagentur Za:media.

Dass Kizhukandayil ein eigenes Unternehmen betreibt und Mitarbeiter beschäftigt, schienen ihm einige Menschen nicht zuzutrauen. „Und das nur, weil ich anders aussehe“, sagt er. Auch diese Form der Diskriminierung sei es, die ihn antreibt, ihn bei seiner Arbeit motiviert.

Spezialisierung auf Ethno-Marketing

Qamar und Sherry haben sich auf Ethno-Marketing spezialisiert. Der Unterschied zu „normalem Marketing“ ist, dass nur eine bestimmte ethnische Zielgruppe mit einer Kampagne angesprochen wird.

Ein Beispiel: Seit einiger Zeit arbeiten die beiden mit Air India zusammen. Die Fluggesellschaft will Inder in Deutschland mit ihren Werbebotschaften besser erreichen.

Ansonsten unterscheide sich Ethno-Marketing nicht von dem, was man sonst kenne: „Wir stellen uns dieselben Fragen wie andere Agenturen“, sagt Qamar. Die wichtigste sei, auf welchen Kanälen die Zielgruppe am besten zu erreichen ist. Viele Zielgruppen erreiche man am besten über die sozialen Medien und eigens organisierte Veranstaltungen.

Doch auch Orte, an denen sich Migranten häufig aufhalten, seien gute Plätze für zielgruppenorientierte Werbung. „Jeder Migrant hat gewisse Plätze, an denen er gerne ist: Das sind zum Beispiel Läden, wo es nur Zutaten aus dem jeweiligen Land – zum Beispiel Indien – gibt. Dort platzieren unsere Kunden gerne ihre Werbung“, so Sherry.

Er und sein 34-jähriger Kollege kümmern sich aber nicht nur um die indische Community. „Bei Indien fing es an. Mittlerweile haben wir aber auch Schwerpunkte bei Pakistanern und Afrikanern“, sagt Sherry.

Enorme gesellschaftliche Bedeutung

Aber wie neu ist Ethno-Marketing eigentlich? „Natürlich gab es so etwas auch schon vorher, aber meistens nur auf eine einzige Zielgruppe spezialisiert“, sagt Qamar. Das Wort Ethno-Marketing habe zudem so einen wissenschaftlichen Touch, findet Sherry. „Wir sind eher die Praktiker und setzen das einfach um, denn wir wollen Minderheiten wirklich erreichen.“

Das habe auch enorme gesellschaftliche Bedeutung. Viele Viertel in Großstädten seien in Verruf, weil es dort überwiegend ausländische Restaurants gebe. „Häufig wird übersehen, was das für ein Jobmotor ist. Ziel unserer Arbeit ist es, das zu ändern“, sagt er.

Zu dem pragmatischen Ansatz gehöre es auch, nicht nur innerhalb des Teams über eine Zielgruppe, sondern mit der Zielgruppe selbst zu reden. „Wir treffen uns mit Menschen der Zielgruppe im selben Raum, tauschen uns aus“, sagt Sherry und fügt hinzu: „ Klar ist, wir müssen wirtschaftlich denken, aber auch gesellschaftlich. Das ist unsere Stärke.“

Fingerspitzengefühl sehr wichtig

Wichtig ist beim Ethno-Marketing, Fingerspitzengefühl zu haben „Sonst kannst du wirklich daneben hauen“, sagt Sherry. Er nennt ein Beispiel: In England habe eine Chipsmarke zum Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan Chips mit Bacon-Geschmack, also Schweinefleisch, angeboten. Das rief einen großen Sturm der Entrüstung hervor.

„So etwas darf nicht passieren. Und so etwas wäre nicht passiert, wenn man vorher erst einmal zugehört hätte und auf die Zielgruppe eingegangen wäre.“

Die beiden Geschäftsführer Qamar Zaman (links) und Sherry Kizhukandayil (rechts).

Kann Ethno-Marketing jeder?

Qamar und Sherry haben selbst Migrationshintergrund. Auch dadurch haben sie ein Gespür für die Wünsche der jeweiligen Zielgruppe. Aber könnte auch jemand ohne Migrationshintergrund erfolgreich Ethno-Marketing – zum Beispiel für Indien – betrieben? Sherry glaubt: ja!

„Du musst kommunikationsfreudig sein, du musst offen sein. Du brauchst Feingefühl und musst das Land kennen. Bringst Du diese Eigenschaften mit, kannst auch Du Ethno-Marketing machen.“

Qamar zögert bei der Antwort. Er ist etwas anderer Meinung als sein Geschäftspartner: „Wenn jemand in der Landessprache spricht, kommt er schneller zum Ziel. Wenn du ohne diese Kenntnisse zum Beispiel bei einem indischen Unternehmen anrufst und versuchst, dich durchzukämpfen, hast du es schwieriger.“

Sherry bleibt bei seiner Meinung. „Wenn du Ausdauer und Geduld hast, kannst du weit kommen.“

Die Quadratestadt ist ideal

Qamar und Sherry haben ihre Agentur in Mannheim, sehen sich aber als europaweit tätige Unternehmer. Mannheim eigne sich gut für ihre Arbeit.

„ Die Anbindung an den Frankfurter Flughafen ist gut“, sagt Qamar mit einem Grinsen. Aber auch die Größe der Quadratestadt sei ideal.  „Mannheim ist nicht so groß wie Frankfurt, Hamburg oder Berlin. Hier kann man Ideen testen und sich erst einmal ausprobieren.“

Andere Länder wesentlich weiter

Jeder Schritt sei dabei eine neue Herausforderung. Auf dem Weg zum Ziel könnten auch einmal Fehler passieren. „Probleme sind da, um sie zu lösen“, zeigt sich Sherry überzeugt. Doch das – und auch manche andere Sachen – habe die Werbe-Branche noch nicht erkannt. „Der Mainstream hat Ethno-Marketing noch nicht entdeckt“, sagt Sherry.

In den USA seien die Unternehmen schon wesentlich weiter. „Dort werden zum Beispiel die Hispanics, also Amerikaner mit spanischen oder lateinamerikanischen Wurzeln, gezielt von Automarken angesprochen“, sagt Qamar.

In Deutschland gebe es so etwas nicht. Wenn ein Unternehmen hierzulande so offensiv und gezielt auf gewisse Gruppen zielen würde, gäbe es später Ärger – zum Beispiel in sozialen Medien wie Facebook. Daran müsse sich etwas ändern. „Deshalb wird es unsere Agentur noch lange geben“, sagt Sherry.

  • za:media

 

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