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Laufen. Um 9 Uhr. Samstags. Jede Woche.

Laufen. Um 9 Uhr. Samstags. Jede Woche.

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Ein Teilnehmer des Neckarau parkrun läuft seine Runden.

Es ist Samstag, kurz vor neun Uhr morgens. Nebel liegt über dem Stadtpark, der Boden ist feucht. Davon lassen sich die Läufer aber nicht abhalten. Einige von ihnen stehen trotz niedriger Temperaturen in kurzer Hose im Gras, tippeln leicht von einem Bein auf das andere.

An der für ein Wochenende frühen Uhrzeit stört sich niemand von ihnen. Die meisten haben noch nicht gefrühstückt, sondern wollen erstmal Sport machen.

Fünf Kilometer durch den Park stehen an, für einige ein kleiner Lauf am Morgen, für andere eine richtige Herausforderung. Jeder läuft sein Tempo, egal wie schnell oder langsam. Wer sind die Leute, die die Laufschuhe der Bettdecke vorziehen?

Die freiwilligen Helfer beaufsichtigen die Streckenpunkte. © Christian von Stülpnagel

Erfinder waren die Engländer

Sie sind Teilnehmer beim Neckarau parkrun. Jeden Samstagmorgen treffen sie sich, um eine Runde zu laufen. Und das seit 71 Wochen.

Im Dezember 2017 hat Svenja Beck zusammen mit ihrem Mann Martin die wöchentliche Aktion gestartet. Erfinder sind sie aber nicht, das war ein Engländer: Vor 15 Jahren hat Paul Sinton-Hewitt den ersten Parkrun veranstaltet: Der leidenschaftliche Läufer war krank, wollte aber dennoch Zeit mit seinen Lauffreunden verbringen und hat einfach deren Zeit genommen.

Regeln weltweit gültig

Und im Prinzip ist es dabei bis heute geblieben: „Es ist super einfach gehalten“, erklärt Svenja: „Man muss einfach jeden Samstag um neun in den Park kommen und laufen. Für die Zeit braucht man dann seinen Barcode, mehr muss nicht sein.“ Den Rest übernehmen die freiwilligen Helfer.

Sie beaufsichtigen neuralgische Streckenpunkte, nehmen die Zeit und verknüpfen diese dann digital mit den Läufern. Weltweit sind die Regeln gültig, egal ob in England, Russland oder Australien.

Von dort haben die Becks den Parkrun nach Deutschland geholt: „Wir haben einige Zeit in Australien gelebt, da gab es Parkruns. Wir haben dann die Leute von Parkrun global kennengelernt und Leute gefunden, die das auch hier in Mannheim machen wollten.“

Der Mannheimer Parkrun war der erste in Deutschland – zusammen mit Hannover und Leipzig. Schon beim Auftakt kamen 54 Läufer, heute sind es regelmäßig 60 bis 80.

Über den Barcode wird die Zeit der Läufer ausgelesen. © Christian von Stülpnagel

Captain Boost

Unter ihnen: Sigi Iro alias „Captain Boost“. Er ist seit dem ersten Mal in Mannheim dabei und hat mittlerweile etwa 40 Parkruns im Buch stehen: „Maja, eine Freundin, hatte mir Bescheid gegeben, dass es stattfindet. Und natürlich müssen wir das unterstützen.“

Seit 40 Jahren läuft Iro, alles zwischen fünf Kilometern und Marathon. „Die Strecke hier ist also eher kurz.“ Doch was motiviert ihn, jeden Samstag so früh unterwegs zu sein?

„Es sind die Leute, die man hier trifft“, sagt er. „Es sind mittlerweile Freundschaften entstanden, quasi eine Laufclique.“ Es sei weniger Training, sondern eher ein Freundestreffen, bei dem man halt auch läuft. Mittlerweile hat der „Captain“, der unter dem Pseudonym im Internet von seinen Laufgeschichten erzählt, seine ganze Nachbarschaft motiviert, samstagmorgens im Wald zu stehen. „Nur bei Glatteis machen wir eine Pause. Aber sonst kann man bis -20 Grad laufen.“

Iro gehört ganz klar zu den schnellen Läufern auf der Runde: Nach nur rund 20 Minuten ist er wieder im Ziel. Anderen hingegen laufen ihr Tempo – und feiern dabei persönliche Rekorde.

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Die Konditor- und Bäckermeisterin Anna Fronek. ©Anna Fronek

So wie Julia: Sie kommt jubelnd ins Ziel: „Neuer Rekord“, ruft sie: 32 Minuten, das sind glatte fünf Minuten schneller als beim letzten Mal.

Christine hingegen kommt nach rund 50 Minuten ins Ziel: Sie ist die Strecke gewalkt: „Normalerweise bin ich mit Freunden unterwegs. Aber allein ist der innere Schweinehund zu mächtig. Dabei ist die Bewegung ja wichtig“, sagt sie.

Die freiwilligen Helfer nehmen die Zeit und verknüpfen diese digital mit den Läufen. © Christian von Stülpnagel

„Jeder kann machen, was er will.“

Für Sonja ist es auch genau das, was Parkrun ausmacht: „Jeder kann machen, was er will. Das hat überhaupt keinen Wettkampfcharakter. Man kann Gas geben oder auch gemütlich mit den anderen laufen.“

Und ganz wichtig sei auch das gemeinsame Frühstück im Anschluss an den Lauf, für ein nettes Zusammensein. In England würden Parkruns sogar als Mittel gegen psychische Krankheiten verschrieben, da es den Kontakt zu anderen Menschen herstelle, sagt Martin.

Maja hat einfach Spaß am Laufen. Mittlerweile macht ihr halber Triathlon-Verein beim Parkrun mit und auch ihre Eltern hat sie schon aktiviert. Sie selbst ist seit dem ersten Mannheimer Parkrun dabei.

Und in der kommenden Woche hat sie sogar ein Jubiläum zu feiern: Dann läuft sie ihren 50. Lauf. Zur Belohnung gibt es ein T-Shirt – und ein kurzes Fußbad im Rhein. Aber auch davon lässt sie sich nicht abhalten.

  • Neckarau parkrun

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